Samstag, 2. Juli 2011

Erster Streich

Was sich wirklich als interessant erweist, ist doch die Tatsache, dass ein jeder mindestens einmal in seinem Leben für etwas vollkommen entflammt. Weitaus interessanter ist jedoch, unter welchen Umständen dies vonstatten geht. Dabei ist es von äußerster Irrelevanz, ob der Mensch sich vom Schiksal oder vom Zufall leiten lässt, geschehen tut es meist, wenn man am wenigsten damit rechnet, selbst wenn man im Nachhinein felsenfest von insgeheimer genauer Berechnung überzeugt ist. Andere hingegen, die sich nicht gezwungen fühlen, allen Geschehnissen einen bestimmten Grund zuzuschreiben, sehen sich einfach nur in einer Kette von ungeplanten aufeinander folgenden Ereignissen. Und wieder andere, welche sich nicht ganz schlüssig sind, zu welcher Gruppierung sie sich letztendlich gesellen sollen, finden sich eines Nachmittags im Juni in keinem geringeren Kulturkaufhaus wieder, als Dussmann. Das waren dann wohl wir.
Geistesbehellt konnten wir uns selbst dabei beobachten, wie wir in unzähligen Berlin-Lektüren ertranken. Plötzlich fasziniert von einigen fotografisch festgehaltenen alten Bauten, deren Tage gezählt waren, fassten wir den Entschluss, unsere Heimatstadt auf eine etwas andere Art und Weise zu erkunden. Ahnungslos, wo die Reise hinführen und was uns noch erwarten sollte, suchten wir ersteinmal den nahe gelegenen S-Bahnhof namens Friedrichstraße auf. Hierbei darf keinesfalls unerwähnt bleiben, dass die weltweit bekannte Fast-Food-Kette Burger King ihr Handwerk nicht länger zu verstehen scheint. Bis zum heutigen Tage steht und bleibt die Frage im Raum, was an dem Wörtchen Schoko-Milchshake so unverständlich war, dass man stattdessen einen dickflüssigen Brei; Hauptzutat: Zucker (und frei nach dem Motto "Mehr ist nie genug!" wurde das gleich nochmal mit Zucker² multipliziert), vorgesetzt bekam. Also, eine Warnung geht somit raus an alle Berlin-Liebenden.
Weiter im Text und zurück zur eigentlichen Thematik.
Um welches Nummer es sich bei dem Gefährt S-Bahn handelte, spielt keine Rolle. Einzig und allein zählte zu diesem Zeitpunkt die Fahrt, der Blick, die Auffassung, die auf einmal so völlig anders zu sein schien. Oder kam es uns nur so vor? Die drückende Hitze machte einem zunehmend zu schaffen und die Mitreisenden schienen von vernünftiger Artikulation noch nie etwas gehört zu haben, doch von solchen Lapalien ließ sich unsere Laune nicht beeinflussen. Schwebte uns noch vor geraumer Zeit der Plänterwald samt seinem still gelegten Vergnügungspark vor, entschieden wir uns in letzter Sekunde doch noch um und stiegen an einer Station aus, von der aus uns ein nicht all zu weiter Fußmarsch bevorstand.
Ehe wir uns versahen, lag sie da. Zugegeben, zunächst etwas verborgen und vorerst relativ unscheinbar, dennoch nie zu verkennen. Mit Dingen, die einen gewissen Reiz ausstrahlen verhält es sich wie mit dem Licht, welches für die Motten niemals umgänglich ist, ganz gleich, welche Gefahren damit verbunden sind. In diesem Fall waren wir die Motten, das Licht eine alte Backstein Brauerei von unsagbarer Schönheit. Nun galt es, schnellstmöglich in Erfahrung zu bringen, wie wir uns Einlass verschaffen könnten. Ironischerweise trafen wir alsbald auf zwei Altmetallsammler. Deren soziale Ader und ein offenes Fenster kamen uns an diesem Tag nur zugute. So waren wir geblendet von der Ästhetik des Verfalls, erkundeten Unmengen des Geländes und der Überbleibsel und doch nie genug. Einige Eindrücke wurden via Kamera eingefangen, wobei wir stets darauf bedacht waren, Vorsicht walten zu lassen, da man beispielsweise einigen Treppen aufgrund nicht länger vorhandener Stahlträger kein Vertrauen schenken konnte. Da die ehemalige Brauerei seit gut fünfzehn Jahren nicht in Betrieb war, lösten wenige alte Flaschen, die noch an Ort und Stelle verblieben waren, große Faszination aus. Zeitgleich konnte man jedoch auch mutwillige Zerstörung in Form von akutem Vandalismus bedauern.
Mit gemischten Gefühlen und dem Entschluss, (mit einer funktionstüchtigen Taschenlampe) wiederzukehren und die Suche nach Verlassenem zu vertiefen, traten wir den Heimweg an. Und höchst wahrscheinlich war er das, der Moment, indem sich irgendwas regte und überall ausbreitete. Der Augenblick, indem ein das Gefühl beschlich, einer Sucht verfallen zu sein. Wir waren fortan süchtig nach allem, was für andere schier ohne jegliche Bedeutung und nahezu in Vergessenheit geraten zu sein schien. Das waren und das sind sie, unsere Drogen. Und wir wollen mehr davon. Und in diesbezüglich stimmen wir Burger King eventuell doch zu, wenn wir sagen: "Mehr ist nie genug.".



3 Kommentare:

  1. Starke Bilder, starkes Event, seid vorsichtig!

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  2. Eine gute Seite mit guten Photos und guten Texten!

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  3. danke danke... immer fleißig am ball bleiben wir blogen weitrer!

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